74 Millionen Euro erlöste die Commerzbank im Februar 2010 mit der Versteigerung der Bronzeplastik „Der schreitende Mann“ von Alberto Giacometti. Selbstredend, dass man das Geld in eine Stiftung stecken möchte. Auf bis zu 7,5 Millionen Euro ist „RE 49, Relief Eponge Bleu“ von Yves Klein taxiert, das die HypoVereinsbank zur Versteigerung am 28. Juni 2010 bei Sotheby’s eingeliefert hat. Klar, dass der Erlös wieder in die Kunstförderung investiert werden soll.
Was ist da los? Wieso treten auf einmal zwei Banken als Verkäufer auf dem Kunstmarkt auf? Sind die Banken durch die Finanzkrise so klamm, dass sie die letzten stillen Reserven heben müssen?
Was bei der Commerzbank zutreffen könnte, sollte eigentlich nicht das Motiv der HypoVereinsbank sein.
Aber zunächst zur Chronik: Seit Jahrzehnten treten die Banken als Kunstförderer auf und haben umfangreiche, bedeutende Kunstsammlungen aufgebaut. Große Sammlungen, wie z.B. die der Deutschen Bank oder der DZ Bank, werden regelmäßig in Kunstpublikationen beschrieben. Entstanden aus der Idee, die tristen Flure der Frankfurter Hochhäuser und später dann auch der größeren Zweigstellen mit Kunst zu beleben und die Mitarbeiter an zeitgenössische Kunst heranzuführen. Oftmals im Kleinen begonnen, entwickelten die Kunstsammlungen eine eigene Dynamik. So gilt es als Auszeichnung, wenn ein Künstler von einer Bank gesammelt wird.
Warum ist das so und wird das so bleiben?
Anders als viele öffentliche Museen verfügten die Banken über Jahre hinweg über bedeutende Ankaufsetats, die sie auch noch sinnvoll einzusetzen wussten. Dabei kauften sie nicht etwa auf Auktionen Prestigeobjekte für ihre Sammlung (im Unterschied zu den bei ihnen angestellten Investmentbankern oder Hedgefondsmanagern!), sondern konzentrierten sich auf die Entdeckung jüngerer Künstler im Preisbereich bis 10.000 Euro. Mit der Zeit entwickelten die Kunstsammlungen eine Aura musealen Charakters. Es war undenkbar, dass die Kunst als Investment angesehen würde. Bei zahlreichen Gelegenheiten wurde die Kunst zudem der interessierten Öffentlichkeit präsentiert.
Ein Museum verkauft seine Kunst nicht und – obwohl sich die Banken nie derart festlegten – ging das Kunstsammeln der Banken vom Anspruch her über das private Kunstsammeln hinaus. Die Banken haben jahrelang von einem positiven Image profitiert. Dieses Image schafften sie u.a. auch durch ihre als Kunstförderung proklamierten Kunstsammlungen. Im Private Wealth Management mit besonders vermögenden Kunden öffneten sich dadurch viele Türen für sie.
Doch das scheint jetzt vorbei.
Sicher ist es für einen Vorstand verlockend, Kunstwerke zu verkaufen und damit die leeren Kassen zu füllen. In Zeiten, in denen – wie bei der Commerzbank – die Aktionäre keine Dividende mehr erhalten und der Staat auf Zinsen für seine stille Einlage verzichten muss, ist auch das Tafelsilber nicht mehr sicher. Wenig überraschend war da der kleinlaute Nebensatz zur Bilanzpressekonferenz 3 Wochen nach der Auktion: Zwei Drittel des Erlöses will die Commerzbank nun für sich behalten, lediglich ein Drittel soll gestiftet werden.
Meines Erachtens befinden wir uns gerade mitten in einer Testphase. Einzelne Kunstwerke werden in den Markt gegeben. Garniert wird dies mit Versprechungen, die Erlöse gemeinnützig zu verwenden. Die Öffentlichkeit soll beruhigt werden. Eine Überprüfung, wie viel von den erheblichen finanziellen Mitteln wirklich wieder der Kunst zugeführt wird, erscheint schwierig.
Und rechtfertigt der Zweck überhaupt den Verkauf? Ich halte den Verkauf von Kunstwerken durch einzelne Banken für einen kalkulierten Tabubruch mit großen Folgen für die Kunstwelt. Die Kunstsammlungen der Banken werden zukünftig mit anderen Augen betrachtet werden. Sie werden ihren musealen Charakter verlieren und zu Kunstfonds heruntergestuft. Dabei hätte gerade die Finanzkrise die Chance geboten, das Image über die Kunst wieder zu verbessern. Jetzt fällt auch noch die letzte Bastion und die Banken haben ihre Ausnahmestellung dauerhaft verloren.