85 Teilnehmer trafen sich am 7. und 8. Oktober 2011 zum V. Heidelberger Kunstrechtstag. Veranstaltet durch das Institut für Kunst und Recht IFKUR e.V., dessen Mitglied Rechtsanwalt Jan Weber ist. Der erste Tag stand im Zeichen des Kunsthandels. Nachfolgend eine Zusammenfassung der wichtigsten Referate und Diskussionen:
(Rechtliche) Risiken beim internationalen Kauf von Kunst
Das Eingangsreferat hielt Prof. Dr. Markus Müller-Chen von der Universität St. Gallen. Er stellte fest, dass der Kunsthandel seit jeher eigenen Besonderheiten unterliegt: Er ist dominiert durch Diskretion und gegenseitiges Vertrauen. Die Marktteilnehmer sind äußerst zurückhaltend gegenüber schriftlichen Verträgen.
Allerdings sollten in internationalen Kaufvorgängen zwingend schriftliche Regelungen mindestens zum Gerichtsstand, zur Rechtswahl, Risikotragung und zur Versicherungspflicht getroffen werden.
Kunstkäufer trifft nach Schweizer Recht – ebenso jedoch auch nach deutschem Recht – eine erhöhte Vigilanz. Gemeint ist damit eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Umstände des Kunstkaufs. So können zahlreiche Indizien in ihrer Gesamtheit für eine Unlauterkeit des Verkäufers sprechen. Zu nennen sind hier z.B. der Ort des Kaufs, die Zahlungsabwicklung, die Reputation des Verkäufers und auch die Höhe des Kaufpreises. Vermeintliche Schnäppchen können schnell eine Gutgläubigkeit des Käufers ausschließen.
Entwicklungen in der Praxis des Auktionators
Daran anschließend stellte Dr. Thilo Winterberg, Präsident des Bundesverbands deutscher Kunstversteigerer e.V., das „Archiv kritischer Werke“ vor. In Form eines geschlossenen Intranets für die 37 Verbandsmitglieder führen die Auktionshäuser ein Archiv, das als Frühwarnsystem vor Fälschungen schützen soll. Weit über 1.000 Kunstwerke sind darin mittlerweile verzeichnet. Sie sind entweder verdächtig oder bereits als Fälschung überführt. In der äußerst lebhaften Diskussion wurde dieses Archiv teilweise scharf kritisiert. Es sei für den Kunstmarkt nicht transparent und es gebe auch keinen Rechtsschutz gegen falsche Verdächtigungen. Zudem würden einzelne Kunden gebrandmarkt, die vielleicht in einem Einzelfall selbst zum Opfer eines Betrügers geworden seien. Der Referent wies dies zurück, da alle Kunden ihr Einverständnis erklären müssten, damit Fotos von ihren Kunstwerken gemacht und sie in das Archiv aufgenommen werden dürfen.
Pflichten und Obliegenheiten im Kunstauktionswesen: Einlieferer, Experte, Auktionshaus, Ersteigerer – Einige Fallstudien
Im folgenden Vortrag wurden konkrete Praxisfälle vorgestellt: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme von der Universität Heidelberg stellte anhand dreier Fälle aus seinem Leben als „Jurist, Sammler und Mensch“ die Schwächen des Kunstauktionswesens anschaulich dar. In allen drei Fällen stimmte die Auktionsbeschreibung nicht mit den Tatsachen vollständig überein. Entweder fehlten wesentliche Angaben zur Provenienz (der „fragliche“ Wilhelm Trübner) oder der Titel war schlecht recherchiert (ein angeblicher Anselm Feuerbach „Giardini Ginori in Verona“ – diesen Park gibt es dort nicht!). Schließlich wurde eine Zeichnung von Friedrich Nerly „nur“ als Venezianischer Palast bezeichnet. Tatsächlich handelte es sich um eine besonders bedeutsame Zeichnung des Palazzo Barbaro-Curtis in Venedig, für die mit großer Wahrscheinlichkeit bei den heutigen Eigentümern des Palazzos ein großes Kaufinteresse bestanden hätte.
In allen Fallkonstellationen führte die fehlende Transparenz über den Einlieferer dazu, dass die üblichen Kaufvertragsrechte nicht ausgeübt werden konnten. Das Vertrauen in das Kunstauktionswesen wird dadurch nicht gestärkt.
Deaccessioning: Eigentum verpflichtet – kann aber auch Bewegungsfähigkeit erwirken
Zum Abschluss des ersten Tages sprach der Kunsthistoriker und Nichtjurist Prof. Dr. Raimund Stecker, Direktor des Lehmbruck-Museums in Duisburg. Sehr pointiert warb er dafür, dass Künstler Anarchisten sein müssten und nicht alles durch Juristen reguliert werden dürfe!
Sein eigentliches Thema war sodann die Frage, wie ein Museum seinem Auftrag gerecht werden kann. Ein Museum hat den Auftrag, eine Sammlung zu betreiben. Dieser Sammelauftrag müsste aber die Möglichkeit umfassen, die Sammlung zu optimieren. Dazu gehöre auch die Trennung von Sammlungsbestandteilen, um im Gegenzug die Qualität der Sammlung durch Neuerwerbungen zu erhöhen. Der Referent gestand in der Diskussion selbst ein, dass diese Neuinterpretation des Museumsauftrags nur gelingen könne, wenn das Museum dem jeweiligen Direktor einen klaren Auftrag vorgebe. Es dürfe nicht sein, dass mit jedem neuen Direktor ein neuer Sammlungsstil einziehe. Leider sei dies aber Praxis in Deutschland. Aus dem Auditorium wurde Verständnis für die Position Steckers geäußert, der aktuell durch die Museumssatzung an einer Sammlungsoptimierung beschränkt wird und dadurch womöglich eine qualitativ wichtige Erwerbung nicht tätigen kann. Allerdings bleibe es fraglich, wer denn darüber bestimme, dass tatsächlich eine Verbesserung der Qualtität der Sammlung erreicht werde.